"Die Welt sehen, Dinge, an die heranzukommen gefährlich ist, hinter Mauern blicken, sich näher kommen,
einander finden und fühlen. Das ist der Sinn des Lebens."
Aus: "The Secret Life of Walter Mitty"
Wenn wir im Kopf auf Reise gehen...
Manche Filme regen uns zum Nachdenken an, andere bringen uns zum Weinen - oder zum Lachen. Und manchmal entdecken wir in Filmen wertvolle Hinweise, die unsere Haltungen zum Leben und zur Liebe in eine neue Richtung schubsen. So oder so: Filme nehmen uns - ebenso wie Bücher - mit auf eine innere Reise. Es ist immer etwas Besonderes wenn wir in Filmen Figuren finden, die uns berühren.
Für mich sind Filme bzw. Filmausschnitte auch wunderbare Hilfsmittel in der Paartherapie. In diesem Artikel möchte ich euch davon erzählen, wie ich Filme in der (Online-) Paartherapie nutze.
Filme für Paare mit Kindern
Filmausschnitte lassen sich auf unterschiedliche Weise in der Paartherapie nutzen. Der erste Film, den ich 2013 auf meine Filmliste gesetzt habe, ist der Kurzfilm zum Kinderbuch "Der
Kleine und das Biest" (hier bei zdftivi ist der Film zu sehen). Ich habe in der Familienberatungsstelle in Frankfurt Rödelheim u.a. Paare begleitet, die kein Liebespaar mehr waren - und vor der Frage standen, wie das "Eltern- sein" nun gelingen
kann. Der Kurzfilm setzt sich feinfühlig mit dem Thema "Trennung" auseinander - und zeigt auf sehr besondere Weise die Perspektive des Kindes.
Psychologisches Wissen bereitstellen
In Beratung und Therapie ist es manchmal hilfreich, Klient*innen über psychische Prozesse aufzuklären (der Fachbegriff dafür ist "Psychoedukation"). Dabei finde ich wichtig, wissenschaftliche Fakten so zu übersetzen, dass wir sie uns merken können und im Alltag greifbar haben. Hier nutze ich gerne Bildmaterial. "Knietzsche, der kleinste Philosoph der Welt" ist beispielsweise eine Zeichentrickserie von "vision x". Die Folgen eignen sich, um die Bedeutung von verschiedenen Gefühlen und existentiellen menschlichen Themen zu verdeutlichen. Eine meiner Lieblingsfolgen ist die Folge über "Das geteilte Glück". Die Serie empfehle ich auch gerne Eltern, die sie zu Hause mit den Kindern ansehen können, um für verschiedene Themen eine Gesprächsbasis zu haben.
Viele Paare, die eine Paartherapie beginnen, sind belastet davon, dass sie einander immer wieder an ihren inneren sensiblen Stellen berühren - bzw. an Erfahrungen aus früheren Beziehungen oder der Kindheit, die noch unverarbeitet sind. Dies zeigt sich manchmal im Streit oder in Schwierigkeiten in der Sexualität. In der Paartherapie arbeite ich traumasensibel. Auch bei Trauma kann es zunächst um Information gehen. Wenn wir verstehen, warum wir einige unserer Reaktionen, willentlich nicht steuern können, kann dies sehr entlasten. Der Psychologe Hannes Kolar hat Videos erstellt, die über Trauma informieren - hier findet sich zum Beispiel #4 Mein Wohlfühlort. Die Videos gibt es auf Deutsch und auch auf einigen anderen Sprachen. Kriegserfahrungen werden häufig als Beispiele für traumatische Erlebnisse genannt. Ich finde wichtig, nicht zu übersehen, dass es auch den "Krieg zu Hause" gibt, in dem viele Menschen leben mussten; weil beispielsweise die eigenen Eltern miteinander oder mit den Kindern würdelos umgegangen sind. Oder wenn ältere Geschwister dauerhaft die eigenen Grenzen übergangen haben.
Gefühle "verkleinern" und "vergrößern"
Beziehung stärken durch Filmabende
Elternpaare mit jungen Kindern haben im Schnitt weniger als eine Stunde am Tag für gemeinsame Zeit zu zweit - und dies meist dann, wenn die Kinder im Bett und die Eltern selbst müde von den Aufgaben des Tages sind. Serien- oder Filmeschauen ist für viele Paare eine Zeitlang das wichtigste "geteilte Hobby". Filme können eine gemeinsame Erfahrung schaffen und Paaren helfen, an einen anderen Ort zu reisen als zum Kindergarten, Schulhof oder ins Büro. Einige Filme halte ich aus paartherapeutischer Sicht für besonders wertvoll, weil sie verschiedene Modelle von Beziehung zeigen.
"Harold and Maude" von Hal Ashby (1979) ist ein besonderer Liebesfilm, weil das ungleiche Paar zeigt, wie unkonventionell Liebe sein darf. Der Film ist einer meiner persönlichen Lieblingsfilme - auf verschiedenen Ebenen eine tolle Komödie.
"Oben" (2009) ist ein Animationsfilm von Pixar und eine Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem älteren Mann und einem jungen Pfadfinder. Es geht auch um die Liebe der Hauptfigur zu seiner verstorbenen Frau. Einige existentielle Themen werden berührt: unser Bedürfnis, unserem Leben Sinn zu geben und unsere Fähigkeit, an Träumen festzuhalten.
"Silver Linings" (2012) von David O. Russell handelt von zwei Menschen, die mit ihren Problemen zu kämpfen haben und sich langsam ineinander verlieben. Es geht um das Überwinden von Bindungsschwierigkeiten, Selbstakzeptanz und die Suche nach dem eigenen Glück.
Das musikalische Drama "La La Land" von Damien Chazelle erzählt die Geschichte einer Liebesbeziehung zwischen einem Schauspieler und einer Musikerin. Der Film behandelt einige der Grundthemen, die es für Paare zu bewältigen gilt.
Das ist eine kleine Auswahl, die euch als Lesende vielleicht als Inspiration dienen kann. Natürlich gibt es unzählige tolle Filme, die sich lohnen, gemeinsam anzusehen. Tatsächlich finde ich wichtig, Filme in Absprache auszuwählen, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen und Anliegen der beteiligten Personen (der Erwachsenen und wenn die Kinder mitschauen natürlich auch dieser) entsprechen.
Viele Paare schauen übrigens auch die Staffeln der Sendung "Die Paartherapie" mit Eric Hegmann (hier geht es zur Sendung) - was eine tolle Vorbereitung auf einen eigenen Prozess sein kann.
Ein Lernfilm über Streit speziell für Eltern
Neben diesen wertvollen (Kurz-) Filmen und Serien und hat mir für meine Praxis dennoch manchmal etwas gefehlt. Ein Film, der einige psychologischen Grundlagen zu "Streit in der Partnerschaft" anschaulich erklärt - und ein Film, der den Paaren zeigt: ihr seid nicht allein mit eurem Kummer! Denn wenn wir denken, wir sind die einzigen Menchen mit einem Problem, dann fangen wir an, uns zu schämen und hören auf, darüber zu sprechen oder daran zu glauben, dass es Hilfe gibt. Ich freue mich sehr, dass es einen solchen Film nun gibt und ich ab sofort eine neue Form von filmgestützter (Online-) Paartherapie anbieten kann. Paartherapie mit praxiseigenem Lernfilm zum Thema "Streit":
Sina und Robin sind ein Liebespaar - oder sie waren es, bevor sie Eltern geworden sind. Irgendwo haben sie sich verloren. Sie streiten - viel und vor den Kindern. ...Und dann finden sie einen Anfang - für einen Weg aus dem Streit. In der Paarberatung lernen sie magische Klettertricks kennen, entwirren Geldscheine und öffnen Augen, Ohren und Herz wieder füreinander.
Der Lernfilm "Vom Streit in die Sonne" darf Paaren dabei helfen, einen Anfang zu machen. Wenn wir uns eingestehen, dass wir als Paar Hilfe gut gebrauchen könnten, sind Unsicherheit im Bauch und Fragezeichen im Kopf ganz normal. Es ist gut, wenn wir erst einmal die Fühler ausstrecken können - das gilt auch für Paartherapie.
"Vom Streit in die Sonne" bereichert meine Praxis auf verschiedene Weisen: Elternpaare können den Film nutzen wenn sie aufgrund ihrer familiärer Situation und fehlender Betreuung (noch) keine Termine wahrnehmen können. Paare können Wartezeiten verkürzen und sinnvoll nutzen. Außerdem können die Partner*innen und ich durch den Lernfilm auf eine gemeinsame Wissens- und Haltungsbasis zurückgreifen, wenn Paare den Film vor einem ersten Praxistermin vorbereitend ansehen.
Durch den Film habe ich für die (Online-) Paartherapie nun wunderbare Szenen mit einem Elternpaar - um z.B. das Erkennen von (mimischen) Feinzeichen zu üben (wir alle übersehen im Alltag immer wieder die Feinzeichen unserer Lieblingsmenschen). Die Arbeit mit dem Film kann Paaren helfen, besser darin zu werden, Gelegenheiten zur Herstellung von Kontakt zu erkennen - und zu erkennen, in welchem Momenten die Verbindung zueinander droht, verloren zu gehen.
Das Drehbuch für die Beziehung selbst schreiben
Vielleicht kann ich euch durch diesen Artikel ein wenig dafür begeistern, kreativ mit den Schattenseiten des (Liebes-) Lebens umzugehen - als Paar oder als Kolleg*innen in der eigenen Berufspraxis. In der systemischen Therapie haben wir die Metapher des "Drehbuchs des Lebens". Das Drehbuch selbst zu schreiben bedeutet, das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Die eigenen Träume zu kennen und an ihnen dran zu bleiben - anstatt sich von den Umständen vom Weg abbringen zu lassen oder sich den Erwartungen von irgendwem unterzuordnen. Eine ähnliche Haltung tut auch in der Partnerschaft gut: Es geht darum, eine Hauptrolle in der Beziehung zu übernehmen. Es geht darum, die Verantwortung zu übernehmen. Wir dürfen anerkennen, dass uns eine tolle Liebesbeziehung nicht vor die Füße fällt - sondern entsteht, wenn zwei Menschen den Weg miteinander gehen und bereit sind, auf diesem Weg zu stolpern und wieder aufzustehen.
Den Lernfilm haben ermöglicht: Kristina Ratzka mit Darius Sobolewski und Hans-Joachim Bruchseiffer hinter der Kamera.
Anja S. Gläser und und Stephan W. Müller als Paar vor der Kamera.
Dies ist das Blog der psychologischen Praxis von Julia Schneider, Psychologin, (Online-) Paartherapeutin.
Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Aus meiner Arbeit heraus entwickele ich außerdem psychologische Kinderbücher. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich für meinen Newsletter ein.