Wie kann die Paar-Kommunikation gelingen? "Love bells", Liebeskonfitüre und andere Empfehlungen aus der paartherapeutischen (Online-) Praxis

In der Mitte unseres Esstisches stehen eine Kerze und eine Blumenvase - direkt neben einer kleinen, pinkfarbenen Glocke. Die Glocke hat einen Holzgriff und ist mit weißen Herzen bemalt. Man könnte sie "love bell" nennen. Sie darf von jeder Person am Tisch zum Klingen gebracht werden, die sich überhört oder übergangen fühlt, deren Erlebnisse vielleicht gerade untergehen oder deren Meinung nicht registriert wurde. Denn da geht es mir und meinen Lieblingsmenschen nicht anders als den Paaren und Familien, die ich in meiner (Online-) Praxis für Paartherapie kennenlerne: in solchen Momenten tut es gut, zunächst durch Zuspruch und Zuwendung die Verbindung wieder herzustellen.

 

Viele Kinder finden ein solches Ritual toll - und witzig; sie lassen die Glocke regelmäßig tönen.

Besondere Bedeutung hat es aber für die Erwachsenen. Für eine gute (Ab-) Stimmung am Tisch und im Familienleben überhaupt, ist es notwendig, dass das Paar in Verbindung bleibt und die Partner*innen sich miteinander grundsätzlich wohlfühlen.

 

Sich mitteilen zu können und dabei auf Interesse und Neugier zu stoßen, gehört zu den wichtigsten Erfahrungen in einer Liebesbeziehung.

 

Viele Paare fragen sich: "Wie können wir miteinander reden, ohne uns in Streit zu verfangen?" und

 "Wie können wir uns gegenseitig zeigen, dass wir zueinander stehen, auch wenn wir inhaltlich nicht unbedingt einer Meinung sind?"

 

Was kennzeichnet gelungene Kommunikation in der Partnerschaft?

Nachfolgend habe ich einige der wichtigsten Merkmale gelungener Kommunikation zusammengefasst: 

Emotionale Validierung:
Gespräche und Diskussionen sind immer begleitet von Gefühlen. Das können wir super finden - oder lästig, es ist wie es ist. Gelungene Kommunikation zeichnet sich dadurch aus, dass Partner*innen die Gefühle der anderen Person als gültig akzeptieren (dabei müssen sie nicht unbedingt gutgeheißen werden).
Es geht darum, die andere Person zu bestätigen und zu vermitteln: "Dein Erleben ist relevant!" Damit dies wiederum gelingen kann, müssen wir dazu in der Lage sein, eigene aufkommende Gefühle regulieren zu können.
Beispiel:
Marie: "Es macht mich tierisch sauer... also dass du dich heute schön wieder nicht um die Wäsche der Kinder gekümmert hast!"

Kay: "Du hast Recht. Wir hatten vereinbart, dass ich dran bin."

Die Abwesenheit von Kritik, Rechtfertigungen, Verachtung und Mauern (apokalyptische Reiter nach John Gottmann):

In glücklichen Beziehung vermeiden Partner*innen  scharfe Kritik, Rechtfertigungen, Abwertungen und Mauern - zumindest größtenteils. Dies sind Kommunikationselemente, die wir insbesondere bei Stress nutzen. Es gilt: Jeder Mensch vergreift sich im Paar- und Familienalltag hin und wieder im Tonfall  oder versteckt sich hinter abwertenden Kommentaren. Entscheidend ist die Grundmelodie in der Kommunikation als Paar.

Integrität:

Integrität bedeutet, den eigenen Werten treu zu bleiben und einen Lebensentwurf zu leben, der den eigenen Vorstellungen gerecht wird. Voraussetzung für gelingende Kommunikation ist, dass die Partner*innen die Beziehung oder die Bedürfnisse der anderen Person nicht (dauerhaft) über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche stellen. Dadurch vermeiden sie ein ungutes "sich-Anpassen" bzw. "sich-Verbiegen". Andersherum formuliert: Die Aufgabe der eigenen Integrität ist ein Nährboden für (passiv) feindseliges Verhalten gegenüber dem Partner/ der Partnerin.

Mikro-Reparaturen:
Glückliche Paare nutzen Reparaturmaßnahmen in Gesprächssituationen, die eine Belastung für die Verbindung darstellen.
Beispiel: Rafael äußert einen Punkt, von dem er weiß, dass dieser Sandra herausfordert. Während er seinen Punkt benennt, legt er seine Hand auf Sandras Arm und sagt: "Ich weiß, dass du das anders siehst!" (Körperkontakt und Zuspruch als Reparaturmaßnahmen)

Kletterkunst beherrschen
Den Partner*innen gelingt es als Einzelpersonen auf der eigenen "inneren Leiter" flexibel auf und ab zu klettern. Der Fachbegriff für diese Kletterkunst lautet "Selbstregulation". Um darin gut zu sein, muss ich meinen Körper (körperliche/ emotionale Zustände) spüren. Die meisten Erwachsenen hatten wenig Unterstützung darin, diese Fähigkeit zu entwickeln und viele Partner*innen lernen als Erwachsene nach.
Beispiel: Miguel spürt am Abend nach einem Tag alleine mit krankem Kind zunehmende Reizbarkeit. Er weiß, dass eine Runde auf dem Bike mit einem Freund ihm helfen kann, wieder in sein inneres Gleichgewicht zu kommen. Noch bevor Toni aus dem Büro nach Hause kommt, kommuniziert Miguel seinen Zustand und seinen Wunsch gegenzusteuern. Gemeinsam teilen sie Zeiten und Aufgaben für den Abend so auf, dass beide gut damit leben können.

 

Miteinander sprechen lernen ist eine dauernde Aufgabe in Beziehungen

Ja, die Verbesserung der Kommunikation in einer Partnerschaft ist eine kontinuierliche und dauerhafte Aufgabe - mit Höhen und Tiefen wie in allen Lebensbereichen. Beziehungen entwickeln sich im Laufe der Zeit, und die Kommunikationsbedürfnisse und -muster von Paaren können sich ebenfalls verändern. Es ist hilfreich, wennPaare offen für Feedback sind, bereit sind, an ihrer Kommunikation zu arbeiten und neue Wege zu finden, um effektiv miteinander zu kommunizieren. Dies kann dazu beitragen, Konflikte zu minimieren, Vertrauen aufzubauen und die Beziehung insgesamt zu stärken.

 

Und Paare die Lust haben, an diese Aufgabe mit eine Portion Humor heranzugehen, dürfen gerne die Idee der "love bell" als Anregung nutzen und eine Glocke für den Esstisch anschaffen. Oder Herzen aus Konfitüre formen - als Signal dafür, dass wir uns allem voran Verbindung wünschen. Denn das ist, was wir gerade als Eltern vor lauter Alltag und Organisation immer wieder vergessen. 

 


Dies ist das Blog des Halthafens von Julia Schneider, Psychologin und Mutter von zwei Kindern.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Aus meiner Arbeit heraus entwickele ich außerdem psychologische Kinderbücher. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.