Sag "ja" und schlafe!

In der Januar-Ausgabe der "Report Psychologie" (Literaturhinweis findest du unten) schreibt Dr. Hans-Günter Weeß von 'sleep shaming'. Dieser Begriff blieb bei mir hängen. Im englischsprachigen Raum beschreibt er, dass sich Menschen fürs Schlafen rechtfertigen.
Rechtfertigung für ein Grundbedürfnis!

Und bei uns? Welche Haltung haben wir unserem Schlaf gegenüber? Wie gehen wir mit diesem Grundbedürfnis um? Was vermitteln wir unseren Kindern?

Die meisten von uns sind aufgewachsen mit der Botschaft: wer viel oder morgens lange schläft ist faul, verpasst das Beste oder muss bestraft werden.

"Der frühe Vogel fängt den Wurm."

"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin."

"Wer abends lange wach bleiben kann, kann auch früh aufstehen."

Viele Menschen schlafen zu wenig. Weniger als ihnen gut tut.

Und insbesondere: Viele Menschen stehen früh auf. Früher als ihnen gut tut.

Die Jüngsten schon: ab dem Alter von einem Jahr. Dann, wenn es mit Kita oder Tagesmutter losgeht. Wir zeigen den Kindern von Anfang an, dass es nicht erwünscht ist, auszuschlafen.

Für die Schulzeit gilt das sowieso.
Im Job gibt es für Langschläfer, wenn der Arbeitsbeginn selbst gewählt werden kann, subtile Kritik.

Dass es Lerchen und Eulen gibt, ist bekannt. Dass es ungesund ist, gegen den eigenen inneren Rhythmus zu leben auch (hier beispielsweise zum Nachlesen).

Schlaf ist elementar für uns. Dafür, dass es uns gut geht. Dafür, dass wir in Balance bleiben. Dafür, dass wir die Eltern und Partner*innen sein können, die wir sein wollen.
Lasst uns anfangen, wenn wir an uns und unseren Beziehungen arbeiten wollen, eine angemessene Schlafkultur pflegen. Lasst uns eine Haltung zum Schlaf entwickeln, die den Schlaf würdigt!

Ansätze kann es überall geben:
Mittagskreise statt Morgenkreise in Kitas und Kindergärten (und damit flexiblere Bringzeiten).
Flexibler Unterrichtsbeginn in der Schule (Kinder dürfen statt müssen ab acht Uhr da sein).
Kürzere und damit flexiblere Kernarbeitszeiten in Unternehmen.

Vielleicht sind diese Dinge erst einmal nicht umsetzbar, weil Vieles miteinander zusammenhängt?

Lasst uns hiermit beginnen:
Am Wochenende oder wann immer möglich: von der inneren Uhr statt dem Wecker wecken lassen.
Den Mittagschlaf als feste Verabredung mit uns selbst werten statt ständig streichen.
Verabredungen und Partys bei Müdigkeit erhobenen Hauptes verlassen statt mit schlechtem Gewissen gehen.

Sag "ja" zu deinem ganz eigenen Rhythmus.
Sag "ja" zu deinem Schlaf.

 

 

Literaturhinweis:

Weeß, H.-G. (2019). Unausgeschlafenes Deutschland - Forderungen für eine neue Schlafkultur. Report Psychologie, 1/2019, S. 2-3.

 


Dies ist das Blog des Halthafens.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.