Wenn der Partner oder die Partnerin emotional überflutet wird - Über Wärmflaschen, Eiswürfel und (Online-) Paartherapie

Wenn ein anderer Mensch unsere sensibelste Stelle berührt: unsere innere Alarmanlage

Für jede*n von uns gibt es bestimmte "Dinge", bei denen unsere innere Alarmanlage eine Notfallreaktion auslöst. Das können beispielsweise einzelne Wörter, Sätze oder Fragen eines Menschen sein - oder auch ein bestimmter mimischer Ausdruck, den wir im Gesicht einer anderen Person wahrnehmen.

Unsere innere Alarmanlage kann auch auf bestimmte Geräusche oder Gerüche reagieren - noch bevor wir sie bewusst wahrgenommen haben.

Und je nachdem, wie unsere Alarmanlage das Gefahrensignal einschätzt, veranlasst sie, dass wir die Menschen um uns herum (z.B. verbal) angreifen, dass wir davonlaufen oder, dass wir uns sozusagen unsichtbar machen und gar nicht mehr reagieren, bis die Gefahr vorüber ist.

Auch in der Partnerschaft können wir diese Dinge erleben: mit einem bestimmten Satz oder einem bestimmten Verhalten können Partnerinnen und Partner sich gegenseitig in den emotionalen Keller schicken. Und dort unten neigen wir zu destruktiver Kritik, zu Vorwürfen oder zum Schweigen.

Diese Reaktionen laufen ab, ohne dass wir eine Wahl haben - wenn die Schwelle erst einmal überschritten ist (das bedeutet nicht, dass wir nicht auch einen großen Gestaltungsbereich vor und nach diesen Reaktionen haben).

Es ist stets eine individuelle Frage, was unsere innere Alarmanlage als Gefahr einschätzt. Somit können andere Menschen erst einmal nicht wissen, worauf wir in welcher Weise reagieren.

Dies zu sehen kann hilfreich sein, um sich als Paar nicht gegenseitig immer wieder "böse Absichten" zu unterstellen.

 

Wenn wir in den emotionalen keller gerutscht sind, können wir nicht mehr logisch denken, Probleme lösen oder feinfühlig miteinander umgehen.

Es führt immer wieder zu Streit und Kummer, wenn Paare weiter versuchen einen Konflikt zu lösen, wenn mindestens Eine*r dazu gar nicht mehr in der Lage ist. Großen Kummer erleben Paare auch, wenn sie Kinder haben und spüren, dass die Kinder von ihrem Verhalten irritiert sind, wenn sie in die Abwärtsspirale hineingerutscht sind.

 

Unsere Stresstoleranz hängt von verschiedenen Faktoren ab

Verschiedenen Menschen passiert es unterschiedlich schnell und häufig, dass sie großen Stress erleben. Unsere Stresstoleranz hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von unserem Temperament und den Erfahrungen, die wir mit unsere Bezugspersonen gemacht haben und machen.

Es gibt Phasen im Leben, in denen unser Gehirn eine besondere Bereitschaft aufweist, bestimmte Reize als Gefahrensignale einzustufen, nämlich in Phasen von Unsicherheit. Für uns als Menschen ist die Kindheit eine solche Phase, aber auch bestimmte Lebensumstände wie beispielsweise, wenn wir unerwartet den Job verlieren. Für Frauen ist die Schwangerschaft eine solche "sensible" Lebensphase. Emotionale Erschütterungen, die während Schwangerschaft und Geburt passieren, können das eigene Leben und die Parterschaft grundlegend beeinflussen und verdienen Aufmerksamkeit und Feingefühl. Manche Paare stolpern immer wieder über Ereignisse, die im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder der Geburt eines Kindes stehen.

 

Was du tun kannst, wenn dein Partner oder deiner Partnerin großen emotionalen Stress erlebt

In der (Online-) Paarberatung und Paartherapie geht es manchmal darum, wie Partner*innen erst einmal für sich selbst mit emotionalen Erschütterungen einen Umgang finden können.

Viele Partner*innen wollen sich hierbei auch gegenseitig unterstützen und fragen danach, wie sie dem anderen Menschen helfen können, wenn er oder sie in emotionale Not geraten ist.

Diese Frage interessiert insbesondere Paare, die einen neuen Weg miteinander finden wollen - Paare, die aufhören wollen miteinander zu streiten oder zu schweigen.

 

Im Folgenden fasse ich hierzu einige Punkte aus meiner paartherapeutischen Praxis zusammen:

  1. Bevor du zur Hilfe eilst, prüfe wie es dir selbst gerade geht!
  2. Wenn du an dir selbst schon Stressignale bemerkst, kümmere dich zuerst um dich! Denn wenn du gerade eigentlich gar keine Ressourcen hast, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr euch gemeinsam in eine Abwärtsspirale bewegt und streitend oder schweigend auseinander geht.

Wenn du selbst stabil stehst, kannst du deinem Partner oder deiner Partnerin dabei helfen, einen Anker zu finden:

  1. Lerne die Körpersprache deines Partners/ deiner Partnerin kennen und weise sie oder ihn darauf hin, wenn du Stressignale wahrnimmst.
  2. Unterstütze deine*n Partner*in bei der Orientierung im Raum: Erzähle von der Umgebung, in der ihr euch befindet: wo steht oder sitzt ihr, was ist um euch herum zu sehen und was seht ihr, wenn ihr aus dem Fenster schaut?
  3. Spiele einen "Rettungssong" und setzt euch gemeinsam auf einen sicheren Klangteppich. Ein Rettungssong ist ein Lied, das euch an eure Stärken erinnert: ein Lieblibgslied, euer Familiensong, ein Lied, das euch verbindet...
  4. Vermeide Fragen, die wir ohnehin nur beantworten können, wenn wir in einem entspannten Modus sind. Zum Beispiel: was ist los mit dir? Warum sagst/ tust du das? Wie sollen wir das jetzt lösen?
  5. Vermeide das Ansprechen von weiteren offenen Punkten/ Konfliktthemen.
  6. Biete einen Schutzmantel aus Wärme an: Eine Umarmung, einen Tee, eine Decke. Wärme kann den Teil unseres Nervensystems anregen, den wir brauchen, um wieder in Verbindung miteinander kommen zu können.
  7. Biete eine Abkühlung an wie beispielsweise eiskaltes Wasser zum Trinken oder ein Beutel aus Eiswürfel für die Stirn. Kälte kann effektiv sein, weil unser Körper auf Kälte damit reagiert, sich über den Atem zu beruhigen.
  8. Für Kinder kann es wertvoll sein mitzuerleben, wie Eltern Stück für Stück besser darin werden, einen liebevollen, erwachsenen Umgang miteinander als Paar zu finden. Wenn ihr dabei Unterstützung braucht, holt euch Hilfe! Insbesondere, wenn ihr euch Sorgen um eure Kinder macht.

Für deinen Partner oder deine Partnerin geht es darum, wieder Sicherheit zu erleben, so dass sich seine oder ihre innere Alarmanlage beruhigen kann. Bitte beachte, dass es wichtig sein kann, in ruhigen Momenten immer wieder miteinander darüber zu sprechen, was für euch hilfreich ist und was nicht, denn jeder Mensch ist anders.

 

Wenn die Sprünge in den emotionalen Keller so häufig sind, dass sie euch und eure Kinder belasten, holt euch Hilfe.

In meiner Praxis für Paare in Darmstadt und meiner Online-Paarberatung und Paartherapie können wir an euren persönlichen Stressauslösern arbeiten. Ich begleite euch als Paar gerne dabei, herauszufinden, welche Fähigkeiten, die ihr bereits in euch tragt, ihr nutzen könnt, um einen bestmöglichen Umgang mit emotionalen Stress zu finden.

Weitere Möglichkeiten (Beratungsstellen, Psychotherapie) beschreibe ich unter dem Menüpunkt "Was ist Paartherapie?".

 

Es ist häufig ein Weg, der Energie kostet, wenn Paare sich entscheiden, die Waffen niederzulegen; wenn zwei Menschen einander immer wieder die Hand reichen, eine Wärmflasche oder einen Beutel voller Eiswürfel.

Und es ist ein Weg, auf dem Paare am Ende des Tages manchmal voller Stolz dasitzen. Auch, weil sie Stück für Stück besser darin werden, ihren Kindern ein Vorbild zu sein - für einen liebevollen, erwachsenen Umgang miteinander als Paar.


Dies ist das Blog des Halthafens.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.