Ela, Elmo und die Zaubermomente – Ein psychologisches Kinderbuch über Bindung und das Gefühl, einen Menschen zu vermissen

Trennungsschmerz und Trennungsangst bei Kindern, Trennung der Eltern und Verlust von geliebten Menschen

Trennungs- und Verlusterfahrung können an den in uns fest verankerten Grundbedürfnissen rütteln und uns ins Wanken bringen.

Als Eltern kommen wir mit Trennung und Verlust auf unterschiedliche Weisen immer wieder in Berührung - so auch die Eltern, mit denen ich in meiner Praxis für Paarberatung und Paartherapie online und in Darmstadt arbeite:

  • Bei Schwierigkeiten während der Geburt und in den ersten Tagen ist für Babys der Start ins Leben manchmal mit Trennungen verbunden, beispielsweise, wenn sie im Krankenhaus (zeitweise) nicht bei den Eltern sein können. Manche Eltern trauern eine lange Zeit um einen zarten Beginn, den es vielleicht nicht gab, wenn die erste Zeit von Sorgen und Trennungen geprägt war.
  • Eltern mit festen Arbeitszeiten, Schichtdiensten und Bereitschaftszeiten können manchmal nicht bei den Kindern sein, wenn diese sie brauchen (eine berufliche Situation lässt sich ändern, aber nicht unbedingt von heute auf morgen).
  • Die Entscheidung, wann Kinder in die Betreuung gehen, wird meist nicht auf der Basis von entwicklungspsychologischen Kriterien getroffen, sondern auf Basis von gesellschaftspolitischen. Für manche Kinder ist der Start in der Kita, im Kindergarten - oder auch in der Schule - schwieriger als gedacht und sie vermissen ihr Zuhause.
  • Eltern und Geschwister von Sternenkindern müssen sich von einem Menschen verabschieden, bevor sie einander "richtig" kennenlernen konnten.
  • Vielen jungen Elternpaaren, die sich als Liebespaar trennen, gelingt es, die Kinder im Blick zu behalten und neue Modelle des Familienlebens zu entwickeln, in denen es den Kindern gut gehen kann. Gleichzeitig vermissen die Kinder manchmal den Elternteil, bei dem sie nicht sein können.
  • Der Tod von Groß-Elternteilen oder andere Bezugspersonen ist ein normaler und gleichzeitig häufig trauriger Teil des Lebens.

Das Vermissen - ein zutiefst menschliches Gefühl

Erfahrungen wie diese sind für uns bzw. unsere Kinder häufig mit dem Gefühl verbunden, einen Menschen zu vermissen. Gefühle des Vermissens sind zutiefst menschlich.
Ich wähle diese Formulierung ganz bewusst, weil sie für mich einige wichtige Aspekte zum Ausdruck bringt:
Jeder Mensch macht früher oder später in seinem Leben die Erfahrung, von einem vertrauten Menschen (für kurze oder lange Zeit) getrennt zu sein. Es geht meines Erachtens nach nicht darum, diese Erfahrungen nicht zu machen, als vielmehr darum, wie wir mit diesen Herausforderungen umgehen können - bzw. was unsere Kinder betrifft: wie wir unsere Kinder begleiten können, so dass sie Trennungen und Verluste bewältigen können.
Denn die Gefühle, die mit Trennungserfahrungen verbunden sind, können intensiv und vielgestaltig sein.

Emotionalen Reaktionen auf Trennung von einer Bezugsperson können beispielsweise Wut, Verzweiflung und Traurigkeit umfassen - und manchmal alles gleichzeitig. Es verlangt uns einiges ab, starke Gefühle wie diese zu regulieren und insbesondere Kinder brauchen hierbei die Unterstützung von ihren Eltern oder anderen für sie wichtigen Menschen.

Gleichzeitig bringt das Vermissen eines unserer bemerkenswertesten Merkmale als Menschen zum Ausdruck: unser Bedürfnis nach Verbindung. Jeder Mensch braucht Nähe zu vertrauten Menschen - und diese Nähe zu unseren Lieblingsmenschen können wir gestalten. Hierfür steht uns eine Vielzahl komplexer Fähigkeiten zur Verfügung, wie beispielsweise unsere Fähigkeit Konnotationen der menschlichen Stimme und Mimik interpretieren zu können, unser Impuls, in kniffligen Situationen Schutz in der Familie oder bei Freund*innen zu suchen und auf emotionaler Ebene beispielsweise unsere Fähigkeit, Schuld empfinden zu können, wenn wir einen anderen Menschen verletzt haben. Wir können Humor, Gespräche, Körperkontakt, Musik und Bewegung nutzen, um Beziehungen zu gestalten.

Zu unseren bindungsbezogenen Kompetenzen gehört auch unsere Fähigkeit zum Protest: wir können „auf die Barrikaden gehen“, wenn wir nicht damit einverstanden sind, dass ein Mensch (innerlich oder äußerlich) geht.
Kinder bringen ihren Protest häufig durch Weinen zum Ausdruck. Gerade in Situationen, in denen sie Halt brauchen, kann es vorkommen, dass sie toben und schreien. Auch für uns Erwachsene kann es schmerzhaft sein, wenn ein Lieblingsmensch eine Zeitlang oder auf Dauer "fehlt" - wir bringen dies aber auf andere Weise zum Ausdruck. Beispielsweise suchen wir, wenn möglich, das Gespräch mit einem Menschen oder schreiben der Person, die wir vermissen Nachrichten oder Briefe. Nicht alles Formen des Protests führen dazu, dass Nähe geschaffen wird. So reagieren manche Partner*innen mit "beleidigtem Schweigen" oder mit Drohungen („Dann packe ich jetzt meine Koffer und gehe!“), wenn ihr Bindungsbedürfnis nicht mit dem Verhalten des Partners oder der Partnerin einverstanden ist. Manche Ausdrucksformen können die Distanz vergrößern – wenngleich wir doch zum Ausdruck bringen wollen: „Du bist mir wichtig! Du fehlst mir!“

Eine haltgebende Beziehung bedeutet immer auch ein emotionales Risiko.
Je näher wir einem Menschen sind, desto eher erwarten wir Schutz und Halt durch ihn - und desto mehr verletzt es uns, wenn wir diese nicht bekommen.
Dieses Risiko zu vermeiden, würde bedeuten, keine Beziehungen einzugehen - was für uns als soziale Wesen weder möglich ist noch zu einem lebendigen, erfüllten Leben beiträgt. Deutlich wird dies, wenn wir auf die Situation der Kinder blicken: Kinder sind emotional, fürsorglich und wirtschaftlich abhängig von ihren Bezugspersonen. Sie können nicht entscheiden: „Ich mache jetzt mein eigenes Ding“, stattdessen müssen sie einen Weg finden, mit den „Bindungsrisiken“ umzugehen. Auch für uns Erwachsene geht der Weg, lebendige, erfüllende Liebe zu erfahren, damit einher, zu akzeptieren, dass Liebe auch Schmerz bedeuten kann. Und, dass wir manchmal keine Kontrolle darüber haben.

Trennungsschmerz überwinden? Meine Perspektive in der Familien- und Paartherapie mit Eltern

Für mich als Paar- und Familientherapeutin ist die Perspektive auf existentielle Themen, wie unsere Sehnsucht nach Verbindung und damit verbundenen Gefühle, immer wieder eine besondere. Ich sehe - und das tun meine Klient*innen manchmal zunächst nicht - dass Kinder und Eltern ganz und gar nicht alleine mit ihren Fragen und ihrem Kummer sind. Ihre Themen betreffen alle Menschen. Nur sprechen wir eben selten beim Bäcker, mit der Nachbarin, manchmal auch nicht mit der besten Freundin oder dem besten Freund darüber - aber durchaus in der Therapie.

 

Um einen Ausdruck dafür zu finden, dass wir mit bindungsbezogenen Herausforderungen nicht alleine sind, habe ich nach einem langen Praxistag im Januar 2020 einen Text geschrieben. Er trug den vorläufigen Titel "Etwas fehlt".

 

Es fällt uns manchmal schwer, auf etwas zu vertrauen, dass wir nicht im engeren Sinne sehen oder anfassen können. Manche Gefühle kehren wir lieber unter den Teppich, als sie zu spüren. Für unsere Kompetenzen suchen wir nach skalierbaren Beweisen, wie zum Beispiel Noten, dafür, dass sie da sind. Und so übersehen und übergehen wir manchmal auch eines unserer wichtigsten Bedürfnisse - unser Bedürfnis nach Bindung. Diesem Bedürfnis, das wir hier vielerorts noch immer mit Füßen treten, wollte ich eine Gestalt geben. Ich wollte auch davon erzählen, dass im Leben eben nicht "alles bald wieder gut ist", sondern manchmal ein Rest Traurigkeit bleiben kann – vielleicht ein Leben lang. Und das ist die eigentliche Herausforderungen: mit dieser Tatsache leben lernen.

 

Ein psychologisches Kinderbuch über Bindung

In der Zeit des Schreibens, kreuzte dann die wunderbare Künstlerin Marlene Monzel meinen Weg. Sie hat meinen Text in Bilder übersetzt. Und schließlich war es der Frankfurter Mabuse-Verlag, der meinen Fokus konsequent von den Eltern- und Liebespaaren zurück zu den Kindern verschoben hat. Kinder sind, wie ich oben beschrieben habe, durch ihre Abhängigkeit von uns Erwachsenen besonders verletzlich. Ja, es geht darum, die Kinder immer wieder in den Blick zu nehmen und ihnen mit Feinfühligkeit und voller Würde zu begegnen, wenn sie einen Menschen vermissen. Und so ist das Kinderbuch „Ela, Elmo und die Zaubermomente“ entstanden – mit einer Geschichte und einem „Mitmach-Teil“ für Kinder sowie einem Fachteil für Erwachsene. Die wunderbare Botschaft lautet: Bindung und das Vermissen sind zwei Seiten einer Medaille. Wir können einen Menschen nur dann vermissen, wenn wir ihn in unserem Herzen haben. Und: wir müssen mit dem Vermissen nicht alleine klarkommen.

Daran möchten wir alle Kinder, Jugendliche und Erwachsene erinnern, die manchmal jemanden vermissen. Und wir möchten auch daran erinnern, dass es etwas gibt, das uns ganz grundsätzlich dabei helfen kann, die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen: mit vetrauten Menschen Momente zu sammeln, die wir in unser Herz schließen - Zaubermomente!

 


Erhältlich: "Ela, Elmo und die Zaubermomente" kann über den Mabuse-Verlag bestellt werden oder überall, wo es Bücher gibt.

Ela, Elmo und die Zaubermomente

Ein Kinderfachbuch über Bindung

Julia Schneider / Marlene Monzel

 

Ela hat einen Freund, der ihr dabei hilft, jeden Tag Zaubermomente zu sammeln: Elmo. Elmo ist ihr Bindungsbedürfnis und sorgt dafür, dass Ela nicht zu lange allein ist. Doch manchmal haben die Menschen, die Ela lieb hat, keine Zeit für sie, verhalten sich unfair – oder gehen sogar weg. Elmo wird dann sauer oder traurig. Für Ela ist es manchmal ganz schön schwer, mit Elmos großen Emotionen zurechtzukommen …
Ela und Elmo zeigen, dass das Zusammenleben mit anderen Menschen zauberhaft-schön sein kann. Doch auch, dass große Gefühle dazugehören, die wehtun können. An die Geschichte schließt ein Mitmach-Teil für Kinder an. Ein Fachteil für Erwachsene vermittelt außerdem Hintergrundwissen und gibt Anregungen, wie die Großen unterstützen können, wenn Kinder von Lieblingsmenschen verletzt oder verlassen wurden. Ein Buch über Bindung für alle kleinen und großen Leute, die manchmal jemanden vermissen. Für Kinder ab 4 Jahren.


Dies ist das Blog des Halthafens.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Aus meiner Arbeit heraus entwickele ich außerdem psychologische Kinderbücher. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein.