"Ist dies ein Ort für mich?" - Gedanken zu Beratung und Therapie entlang meines Werdegangs als Psychologin und Paartherapeutin

Verweilen oder verschwinden?

Es gibt Orte, die uns zum Verweilen einladen.

Weil wir uns dort wohlfühlen.

Nicht alle Orte, an denen wir uns aufhalten, sind so schön und sicher, dass wir bleiben wollen.

 

Ich habe an der TU Darmstadt Diplom-Psychologie studiert. Während der Studienzeit habe ich mich in unterschiedlichen psychologischen Forschungsbereichen und Praxisfeldern umgesehen.

Ich habe in einigen klinischen Bereichen mitgearbeitet.

Eine dieser Erfahrungen hat mich besonders berührt - im negativen Sinne - da ich gesehen habe, auf welche Weise der unachtsame Umgang miteinander als Psychotherapie bzw. therapeutische Unterstützungsangebote getarnt werden kann.

Meine Zeit an diesem Ort habe ich verkürzt und ich bekam eine Bescheinigung, die mich sehr unengagiert dastehen ließ. Diese Bescheinigung habe ich bei den Bewerbungen auf Arbeitsstellen nach meinem Studium stets beigelegt, weil sie eine wunderbare Grundlage war, sich darüber zu unterhalten, mit welcher Haltung wir uns als Menschen begegnen können.

 

Zuhause als Psychologin

Ein Zuhause als Psychologin habe ich in einer wunderbaren Beratungsstelle gefunden - in der Beratungsstelle für Familien in Frankfurt Rödelheim. Hier war ich acht Jahre lang angestellt. Beratung und Therapie konnte ich so gestalten, dass sie vereinbar waren mit meiner Vorstellung von menschenwürdigem Arbeiten. Ich konnte die Entwicklungspsychologie mit der Familienpsychologie und der Paartherapie verbinden.

Auch war es hier möglich, testpsychologische Untersuchungen (wie z.B. Bindungsinterviews, um bindungsrelevante Erfahrungen und Überzeugungen herauszuarbeiten oder Testungen kognitiver Fähigkeiten, um entlang des Stärkenprofils unterstützen zu können) zu nutzen, wann immer sie mir ergänzend hilfreich erschienen - und nur dann! In der praktischen Anwendung der Testpsychologie finde ich es besonders wichtig, genau hinzuschauen und zu fragen, wozu testpsychologische Ergebnisse dienen könnten und vor allem wem: kann das Ganze den Kindern und den Familien wirklich nutzen?

Ich habe in der Beratungsstelle gelernt, auf welche Weise Therapeutinnen in einem multiprofessionellen Team zusammenarbeiten können: wie es wunderbar gelingen kann, systemische, psychoanalytische und verhaltenstherapeutische Ansätze jeweils optimal zu nutzen statt sich in einen Kampf darüber zu begeben, welche psychotherapeutische Schule die Bessere ist.

Diese Haltung als Team zu leben ist meines Erachtens nach nur konsequent, denn auch den Paaren und Familien, mit denen ich arbeite, geht es darum, unterschiedliche persönliche Eigenschaften als Ressourcen zu nutzen statt darüber zu streiten, welcher Mensch "richtiger" ist.

 

...und als systemische Therapeutin

Meinen therapeutischen Heimathafen habe ich bei der igst in Heidelberg gefunden. Der systemische Ansatz, wie ich ihn dort kennengelernt habe, passte zu meinem Menschen- und Weltbild. Ich habe hier auch meine eigene Lebenshaltung unter die Lupe genommen. Und ich habe gelernt, dass es möglich ist, fachliche Angebote zu machen und dabei meine Klient*innen die Entscheidung zu überlassen, ob sie damit etwas anfangen können oder nicht.

Die systemische Therapie ist mein fachliches Zuhause - auch wenn ich für Fortbildungen gerne in unterschiedliche Richtungen segle.

 

In meiner psychologische Praxis für Paartherapie und Paarberatung halte ich es mit der Frage danach, was ein geeigneter Ort für einen Menschen ist, besonders flexibel. Neben meinem Praxisraum für Paare in Darmstadt gehört meine Onlinepraxis mit mehreren virtuellen Räumen dazu. Somit ist der Halthafen eine Praxis, die nicht an einen festen Ort gebunden ist. Der Halthafen ist dort, wo Paare und Eltern sind, die mit mir arbeiten möchten und dabei ihre eigenen Verantwortungs- und Gestaltungsbereiche unter die Lupe nehmen wollen, um mit Kreativität und Mut das Familienleben zu gestalten.

 

Einladungen dürfen angenommen und abgelehnt werden

Ja - es gibt Phasen im Leben, in denen wir Begleitung brauchen und uns wünschen, dass uns Expert*innen an die Hand nehmen, auch mal klare Empfehlungen aussprechen und uns eine Richtung zeigen.

 

Gleichzeitig, wann immer sich Menschen auf die Suche nach Fachpersonen begeben, möchte ich dazu ermuntern, stets in der Autonomie für sich selbst zu bleiben und Fachkräfte als Unterstützer*innen dabei zu sehen, den eigenen Weg zu finden.

Ich möchte dazu ermuntern, stets zu prüfen, ob es stimmig ist, was eine Fachperson als Gegenüber erzählt, kritisch zu hinterfragen und Fachkräfte mit den eigenen Fragen und Unsicherheiten zu konfrontieren.

Ich möchte dazu ermuntern, die Angebote von Psychotherapeut*innen und Paartherapeut*innen als Einladungen zu sehen - die entweder angenommen werden dürfen oder abgelehnt.

Wäre ablehnen nicht erlaubt, wäre es übrigens auch kein Therapieangebot, denn jede Therapie basiert auf Freiwilligkeit.

 

Ganz egal, ob es sich um die Partnerschaft, Freundschaften, den Job oder eben die eigene Therapie handelt: Diese Frage dürfen wir uns immer stellen: "Ist dies ein Ort für mich?"

 


Dies ist das Blog des Halthafens.

 

Meine Texte ergeben sich aus der Beschäftigung mit psychologischer und systemischer Literatur und Forschung, meinen Erfahrungen in der Paartherapie mit Eltern in meiner Praxis in Darmstadt und der Paarberatung und Paartherapie online sowie aus meinem Leben als Mama von zwei Kindern. Wenn du über neue Texte informiert werden magst, folge mir gerne auf Instagram oder trage dich gern für meinen Newsletter ein